Samstag, 24. Januar 2009
 
Buch: Der rechte Rand ist kein Randphänomen PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Montag, 2. Juni 2008

Heribert Schiedel: Der rechte Rand. Extremistische Gesinnungen in unserer Gesellschaft. Edition Steinbauer, Wien, 2007, 199 S., € 22,50

Politische Gruppierungen, die man als rechtsextrem einstufen kann, gibt es in praktisch allen Ländern Europas. Die österreichische Besonderheit ist, dass Teile davon salonfähig sind und es in der FPÖ bis zu Regierungswürden gebracht haben. Der Erfolg einer Ideologie hänge nicht zuletzt von ihrer Fähigkeit ab, Sinn zu stiften, „an den Alltagsverstand anzuknüpfen und sich diesen nutzbar zu machen“, so der Autor. Daher dürfen die regionalen Spezifika, die „Folklore“ eines Landes nicht unberücksichtigt bleiben.

Schiedel unternimmt zunächst eine anspruchsvolle Analyse der verschiedenen Ausformungen und Ursachen des Rechtsextremismus und versucht jene Elemente herauszufiltern, die ihn charakterisieren, etwa die Ablehnung des Prinzips der Gleichheit, die Ethnisierung des Sozialen, den Autoritarismus bis zur Lust an der Unterwerfung, Rassismus, Antisemitismus, Gewaltakzeptanz, Intoleranz. Er warnt aber vor einem statischen Verständnis des Phänomens, da dieses „den Metamorphosen der völkischen Weltanschauung“ nicht gerecht werde. Auch die FPÖ, Österreichs Variante der Führerpartei, habe verschiedene Phasen durchgemacht, zuletzt wieder eine Radikalisierung, die ihr an den Urnen nicht geschadet hat.

Schiedl gibt Autoren recht, die den relativen Erfolg des Rechtsextremismus in Österreich mit der Geschichte als Grenzland in Zusammenhang bringen. „Deutsche“ mit Namen „wie Globocnik, Borodajkewycz oder Marinovic standen und stehen unter dem Zwang, sich und ihrer geneigten Umgebung ihr ‚Deutschtum’ dauernd zu versichern“. Rechtsextreme Quellen wie die Deutsche Nationalzeitung sprechen auch davon, dass „die Österreicher weit weniger umerzogen worden sind als die Bundesdeutschen“. Nach 1945 war die Aufarbeitung der jüngeren Geschichte lange kein Thema. Gleichzeitig habe sich die Untertanenkultur länger gehalten, als in anderen Ländern.

Keine Analyse des Rechtsextremismus in Österreich kommt ohne Befassung mit dem Phänomen Jörg Haider aus. Sein Erfolg, so Schiedel, bestehe darin, dass er reale gesellschaftliche Konflikte und Klassengegensätze systematisch thematisiere. Seine Taktik sei in Leo Löwenthals These von der „umgekehrten Psychoanalyse“ treffend beschrieben. Die neurotischen Ängste eines Patienten würden nicht behandelt, sondern „aufgegriffen und mit dem Zweck systematisch verstärkt, den Patienten nicht mündig werden zu lassen“. Haider, und das ist auch der Grund, warum er bei der proletarischen Klientel der SPÖ so gut ankam, agiere aber auch als „symbolischer Sozialist“ indem er das antikapitalistische Ressentiment schüre und sich als Beschützer der „kleinen Leute“ gegen übermächtige Institutionen wie Kammern oder die undurchschaubare Bürokratie der EU beschütze. Die Kritik an den Auswüchsen des Neoliberalismus passt da perfekt ins Bild.

Zu militanten Rechtsextremisten oder radikaleren Gruppen im Ausland, geht man in der FPÖ und dessen Abspaltung BZÖ gerade so weit auf Distanz, wie nötig. Direkte Kontakte werden, so Schiedel, meist an die zweite Ebene delegiert. Trotzdem kommen auch Spitzenvertreter der beiden Parteien in die Bredouille, wenn etwa Fotos von Wehrsportübungen auftauchen, wie im Fall des FPÖ-Chefs Heinz Christian Strache, oder wenn Haider vor SS-Veteranen auftritt.

Der Autor befasst sich seit über zehn Jahren im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes mit dem Phänomen des Rechtsextremismus in Österreich in seinen verschiedenen Erscheinungsformen. Er beobachtet die akademischen Burschenschaften ebenso, wie die Skinheads und Wehrsportgruppen. Deshalb zieht er es auch vor, unter einem Pseudonym zu publizieren. Bei der Buchpräsentation trat er mit Sonnenbrille und Steirerhut auf. Er will sich nicht auf eine Darstellung des Rechtsextremismus beschränken, sondern stellt an das Ende seines sehr detailreichen Buches einige Gedanken, wie man dem Erstarken solcher Gruppen gesellschaftlich entgegentreten kann. Er hofft auf eine befreite Gesellschaft, in der man, nach Theodor Adorno, „ohne Angst verschieden sein kann“.

Ralf Leonhard



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